„Wie Sie sehen, sehen Sie nichts“: Brutalismus sanft modernisiert

Die Nikolaus Cusanus Akademie von Othmar Barth, ein Begegnungszentrum aus den 1960er Jahren in Brixen, wurde von MoDus Architects einfühlsam saniert, zurückhaltend erneuert, ergänzt und den neuen Bedürfnissen angepasst. Die Sanierung und Erweiterung wurde mit großer Wertschätzung gegenüber der Nachkriegs-Ikone durchgeführt. Dafür gab es im Rahmen des Architekturpreises „Lang lebe der Beton!“ von der Dyckerhoff-Stiftung eine Anerkennung.

Die Nachkriegsmoderne hat oft keine leichte Stellung in der Architektur – weder zu ihren Entstehungszeiten noch heute, wenn es um Erhaltung und Denkmalschutz geht. So war auch die von Othmar Barth von 1960-1962 erbaute Nikolaus Cusanus Akademie am Rande der Altstadt zu Beginn sehr umstritten: Während manche darin eine Ergänzung des historischen Stadtgefüges sahen, empfanden andere den langgezogenen Bau mit der sichtbaren Betonskelett-Konstruktion und den Backsteinfüllungen als Fremdkörper. Doch 2018 wurde das Haupthaus der Akademie als erstes Gebäude der Moderne in der Provinz Bozen unter Denkmalschutz gestellt.

Die von der katholischen Kirche beauftragte Bildungseinrichtung für Erwachsene wollte damals wie heute zwischen kirchlicher und säkularer Welt vermitteln. Sie beruft sich dabei auf den Humanisten Nikolaus Cusanus, der bereits im 15. Jahrhundert für Toleranz warb und die Versöhnung von Welt und Kirche anstrebte. Dieser moderne Ansatz sollte sich, so der Wunsch des Brixener Bischofs, auch in der architektonischen Gestaltung ausdrücken. Er beauftragte den jungen Architekten Othmar Barth, der später als einer der bedeutendsten Architekten der Nachkriegsmoderne im alpinen Raum gelten sollte.

Barth entwickelte einen dreigeschossigen, langgezogenen trapezförmigen Baukörper. Sowohl außen wie innen setzte der Architekt auf die pure Materialsichtigkeit: Beton und rote Ziegel bestimmen die sorgfältig ausgearbeiteten Oberflächen. Alle Räume, von den Vortragssälen über die Kapelle bis hin zu den kleinen Gästezimmern gruppieren sich dabei um die zentrale, zweigeschossige Halle mit Galerie. Dieser modellierte, fast skulpturale Veranstaltungs- und Begegnungsraum ist zweifellos das Schmuckstück des Gebäudes. In der Art eines Kappengewölbes reihen sich quer verlaufende Betontonnen über die ganze Länge der Halle. Die schrägen Einschnitte auf der Südseite lassen die Decke noch plastischer erscheinen, und zugleich modelliert und rhythmisiert das einfallende Licht den ganzen Raum.

Nach über sechzig Jahren wurden mehr Vortragssäle und Gästezimmer benötigt, zudem mussten die Räume barrierefrei zugänglich sein. Die sanitären Einrichtungen sollten ebenso wie Akustik und Beleuchtung verbessert und das ganze Gebäude technisch und energetisch ertüchtigt werden. MoDus Architects unterschieden ganz klar: das Bestehende blieb ein Bau von Othmar Barth mit kaum erkennbaren Eingriffen, das neu Hinzugefügte durfte offensichtlich neu gestaltet sein.

Die größte Ergänzung ist ein teilbarer Konferenzsaal, der unterirdisch in den Innenhof zwischen Haupthaus und Nebengebäuden gelegt wurde und durch Oberlichter beleuchtet wird. Ein neues Treppenhaus und ein Aufzug wurden eingepasst, der Flur zu einem einladenden Eingangsbereich vergrößert, indem einige Wände entfernt und eine Glasfront eingesetzt wurde. Da überall das gleiche Raster von 2,90m eingehalten wurde, blieb die harmonische Raumwirkung bestehen. Das von dort erreichbare Café steht nun auch der lokalen Bevölkerung offen. Da die Cusanus Akademie nun auch individuell Reisende aufnimmt, wurden die Gästezimmer modernisiert und mit Bädern ausgestattet, indem jedes dritte Zimmer zu zwei Bädern umgebaut wurde; als Ausgleich dafür wurden in den Nebengebäuden weitere Mehrbettzimmer geschaffen.

Trotz dieser Änderungen gelang es den Architektinnen und Architekten von MoDus Architects, den ursprünglichen Charakter des Gebäudes zu bewahren. Die Jury lobt insbesondere, dass sie ihren Gestaltungsauftrag darin sahen, sich zurückzunehmen und dadurch den historischen Bau zur Geltung kommen zu lassen. Denn allzu häufig werde die Nachkriegsmoderne als nicht erhaltenswert, zu wenig historisch oder als nicht sanierbar beurteilt.

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